Zum 27. März war es uns endlich gelungen, Jan-Christoph Oetjen, den letzten FDP-Politiker in einem überregionalen Parlament, für ein Gespräch zu gewinnen. Er bittet zunächst die anwesenden Zuhörer, ihm Stichworte zu nennen, damit er mit seinen Ausführungen im Sinne der Zuhörer beginnen kann. Die meisten beziehen sich erwartungsgemäß auf Trump und seine Zollpolitik und die Verteidigung, einige auf das Mercosur-Abkommen.
Mit diesem Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten entsteht die größte Freihandelszone der Welt, sie betrifft mehr als 700 Mio. Menschen und verfolgt ein wirtschaftliches und geostrategisches Ziel. Es geht zum einen um Vorteile für die heimische Industrie und den Importen aus Südamerika. Die europäischen Autobauer hoffen auf ein gutes Geschäft, bisher müssen 35-prozentige Zölle bei der Einfuhr gezahlt werden. Ein weiterer Profiteur könnten die Lebens-mittelhersteller sein, Schokolade, Wein und Spirituosen werden mit 20 % Zöllen und mehr belegt.
Die europäischen Landwirte hingegen warnen vor der Billigkonkurrenz aus Südamerika. Die Bauern fürchten, dass die heimische Erzeugung zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten und Tieren wegen der niedrigeren Umweltstandards in den Mercosur-Ländern verdrängt wird. Und Umweltschützer befürchten, dass wegen der höheren Quoten bei Rindfleisch die Umweltzerstörung im Amazonas-Regenwald weiter voranschreiten würde.
Der zweite Teil des Vortrages befasst sich mit der Politik des neuen amerikanischen Präsidenten. Während das Mercosur-Abkommen Märkte öffnet, bewirkt Trump das Gegenteil, seine Politik der hohen Zölle wird den Welthandel einschränken. Trump kann nicht verstehen, dass in München keine Chevrolets fahren, aber in New York, Fifth Avenue sich Autos deutscher Premiumhersteller aneinanderreihen. Das Ungleichgewicht will Trump lösen mit hohen Zöllen auf Importe. Diese gelten auch für Importe aus seinen Nachbarländern Mexico und Kanada, aber auch aus Japan und China. Die Liste der Zollerhöhungen löste einen Kursrutsch sowohl in USA als auch in Europa aus. Besonders Deutschland leidet unter diesen Zöllen, weil es mehr als andere europäische Länder vom Export abhängig ist. In Deutschland und Frankreich schrumpft die Wirtschaftsleistung.
Zitat von Ursula von der Leyen: „Europa hat alles, was es braucht, um an der Spitze zu stehen.“ Die Vorstellung des Arbeitsprogramms für die zweite Amtszeit enthält Bürokratieabbau, der 37 Mrd. Euro Ersparnis in der Legislaturperiode bringen soll, und eine aus Brüssel gesteuerte EU-Industriepolitik. Konkrete Gesetzesvorschläge enthält das als „Wettbewerbsfähigkeitskompass“ bezeichnete Arbeitspapier nicht. Von der Leyen will ein Instrument schaffen, um die häufig widersprüchliche Politik der Mitgliedsstaaten zu zentralisieren. Es bleibt unklar, wie das funktionieren soll. Darüber hinaus will sie die Rüstungsindustrie stärken und eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung fördern.
Die Kommission will sich zunächst auf einige Schlüsselsektoren konzentrieren, wie Energie, Digitalisierung oder Künstliche Intelligenz. Das soll durch einen Wettbewerbsfähigkeitsfonds unterstützt werden, den die Kommission im Rahmen eines mehrjährigen EU-Budgets bis 2034 schaffen will. Wie viel Geld der Fonds bereitstellen soll, ließ von der Leyen offen. Ansonsten wiederholt das Papier viele bekannte Ideen, von der Vollendung der Kapitalmarktunion über die Senkung der Energiepreise bis zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Oetjen gab zu bedenken, dass es naiv sei, zu glauben, man könnte die negativen Auswirkungen von zu vielen staatlichen Eingriffen in unsere Marktwirtschaft mit mehr Regulierung lösen!
Das größte Problem in der EU ist jedoch eines, das sich jetzt auflöst, der Noch-Kanzler Olaf Scholz. Er wird sich hanseatisch verabschieden, abstrakt, nüchtern, leicht verquast. Es war eine lauwarme Beziehung, und die deutsch-französische Zusammenarbeit legte er auf Eis, den Diplomaten gefror das Blut in den Adern, so kühl war der Umgang zwischen Macron und Scholz. Da hat sein Nachfolger einiges aufarbeiten.
Manfred Kobusch
