Am 14. Februar hatten wir zu einem Kamingespräch über die Ergebnisse der Entwicklungspolitik zwei Gesprächspartner eingeladen, die sich aus persönlichen und beruflichen Gründen diesem Thema verpflichtet fühlen, Knut Gerschau als Bundestagsabgeordneter und Doris Herrmann als Verantwortliche für die Qualitätssicherung der universitären Bildung im globalen Kontext.
Seit mehr als drei Jahren kennen wir Gerschau als Bundestagsabgeordneten und seine Arbeit im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe. Er hat sich stets dafür ausgesprochen, Bildung als ein zentrales Thema der deutschen Entwicklungspolitik fortzuentwickeln. Auch für die Steuerung der Bevölkerungsentwicklung ist Bildung entscheidend: je höher das Wissens- und Ausbildungsniveau, desto wahrscheinlicher wird die Chance auf persönlichen Aufstieg und eine gezielte Familienplanung. Das Bevölkerungswachstum ist in einigen Ländern jedoch so rasant, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht mithält und die Bevölkerung nicht ernährt werden kann. In vielen Ländern überlassen die Regierungen den helfenden Ländern den Bau von Schulen. Eine gute Bildung ist auch Voraussetzung für politische Teilhabe und die Entwicklung demokratischer, gerechter Regierungssysteme.
Weiterhin erinnert Gerschau daran, dass der Hälfte der Weltbevölkerung, den Frauen, immer noch grundlegende Rechte verwehrt werden. Ferner sei bewiesen, dass die Stärkung der Rechte von Frauen zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung entscheidend beitragen. Ein weiteres globales Thema ist Gesundheit. In Entwicklungsländern fehlt es häufig an grundliegenden Gesundheitsdienstleistungen, nicht zuletzt für Frauen, deren Selbstbestimmung eingeschränkt ist.
Letztlich benötigen Entwicklungsländer Unterstützung beim Aufbau einer eigenständigen Wirtschaft im Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen. Dazu gehört die Etablierung von Wertschöpfung vor Ort, damit gerade afrikanische Länder nicht nur als untergeordnete Rohstofflieferanten angesehen werden.
Gerschau betont, dass wir Geld nicht länger mit der Gießkanne verteilen dürfen, sondern klare Ziele benennen müssen, die auch Berücksichtigung unserer Werte und Interessen beinhalten. Für unsere Unterstützung sollten die Länder auch Produkte von uns kaufen. Eine Zusammenlegung von Entwicklungs- und Außenpolitik in einem gemeinsamen Ministerium ist eine Überlegung wert, denn zu oft fehlt es an einer Koordinierung der Projekte, sodass viele Beteiligte parallel arbeiten.
Die zweite Gesprächspartnerin ist Doris Herrmann, die Akkreditierungsverfahren der Hochschulen u.a. in afrikanischen Schwellenländern begleitet. Diese Länder wertschätzen das hohe Bildungsniveau und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Der Ruf Deutschlands ist hervorragend, besser als der der Briten, droht aber verspielt zu werden.
Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein Teil der deutschen Wirtschaftspolitik, aber Wirtschaft und Bildung werden nicht zusammen gedacht. Viele ausländische Hochschullehrer und Entscheider haben in Deutschland studiert. Das wirkt nach und führt zu einer weiteren Zusammenarbeit, derzeit sehen viele Länder die Verbesserung des Bildungsniveaus als ein zentrales Thema an.
Interessengeleitete Entwicklungszusammenarbeit ist in anderen Ländern gang und gäbe (z.B. Großbritannien), aber wenn Deutschland vorgibt, selbstlos zu agieren, sorgt das für Irritationen. Herrmann fragt, welche Länder wir mittelfristig fördern sollen, wo nachhaltige Projekte aufbauen, wo bestehende Partnerschaften ausbauen? Es ist z.B. Indonesien mit 270 Mio., zumeist jungen Leute, sehr ernst zu nehmen.
Derzeit spricht man über die Unterstützung von Schwellenländern, eine verarbeitende Industrie aufzubauen. Im arabischen Raum werden 70 % Rohstoffe exportiert und nur 30 % verarbeitete Güter. Doch zum Aufbau einer Industrie benötigt man Fachkräfte, aber oft seien nur 15 % sind in der Lage, zum College oder zur Uni zu gehen. Weitere Schwierigkeiten dieser Länder liegen in der hohen Arbeitslosigkeit von 20 % und mehr, einer geringen Frauenerwerbsquote, 30 % der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze und die Geburtenrate ist so hoch, sodass diese Länder es nicht schaffen, eine Infrastruktur mit Schulen und Universitäten aufzubauen.
Die Ausgangslage muss sein, dass Länder im Prinzip in der Lage sind, ihre Probleme selbst zu lösen. Viele afrikanische Staaten sind stark und reich zugleich, z.B. hat Nigeria große Öl-Vorräte.
Doris Herrmann verweist aber auch darauf, dass Schuldgefühle aus der Kolonialzeit nicht dazu führen dürften, dass diverse Bevölkerungsgruppen auf den Zug aufspringen, um davon profitieren. Die Rückgabe der Benin-Bronzen war ein Scheitern mit Ansage. 84 Bronzen wurden von Frau Baerbock und Frau Roth zurückgegeben einschl. einer Entschuldigung für die britische Kolonialzeit. 80 Bronzen sind mittlerweile verschwunden bzw. im Privatbesitz und nur noch 4 sind registriert.
Zum Abschluss verwies Frau Herrmann darauf, dass die Berichterstattung über Afrika sehr einseitig sei. Das Fehlen von Auslandskorrespondenten führt zu falscher Berichterstattung und zu Wunschdenken. Unangenehme Wahrheiten werden nicht geschrieben. „Über das echte Afrika rede ich in Deutschland nicht, das will niemand hören“, sagt ein Kenner der Szene.
Deutschland sollte das Selbstverständnis ablegen, die Welt retten zu wollen, so die Schlussfolgerung von Doris Herrmann.
Manfred Kobusch