Der Verkehrsentwicklungsplan 2035+ der Region Hannover irritiert.
Am 16. März hatten wir den verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Regionsfraktion Robert Reinhard-Klein eingeladen, den Liberalen Senioren und der interessierten Öffentlichkeit das Verkehrskonzept der Region Hannover vorzustellen. Das Hauptziel dieses Vorhabens ist es, den derzeitigen CO2-Ausstoß um 70 % zu verringern.
Der „Verkehrsentwicklungsplan 2035+“ trägt alle Vorhaben zusammen, um Verkehr zu vermeiden, zu verlagern und abzuwickeln. Die Planer stellen sich vor, dass die zurückgelegten Wege mit dem Auto sich halbieren, mit dem Fahrrad und der ÖPNV-Nutzung sich verdoppeln. Schon jetzt konnte man in die irritierten Gesichter der Zuhörer blicken, die nicht ganz glauben konnten, was ihnen der Referent erzählte.
Die Maßnahmen gliedern sich in die Bereiche Schienenverkehr, Busverkehr, Autoverkehr und Radverkehr. Nun ist die Region Hannover verkehrstechnisch sehr unterschiedlich strukturiert. Neben der Landeshauptstadt Hannover sehen wir den Speckgürtel, der eng die Großstadt umschließt, und wir sehen die Gebiete weiter weg bis zum Deister, die an das Steinhuder Meer angrenzen und bis zur Südheide reichen.
Das S-Bahn- und das Stadtbahnnetz soll ausgebaut und verlängert werden, die kürzeren Taktungen (auf 30 bzw. 15 min.) verlangen nach mehr Bahnen, die Üstra benötigt dafür mindestens 100 zusätzliche Stadtbahnzüge und einen neuen Betriebshof. Da die Pendler auf das Auto weitgehend verzichten sollen, werden weitere P+R Plätze gebaut und die vorhandenen Kapazitäten erweitert.
Der Busverkehr wird durch Sprint H – Linien, die radial (direkt) in die Innenstadt führen, und durch tangentiale (um die Stadt herum) Verbindungen erweitert. Damit trotz erhöhten Busverkehrsaufkommens die Klimaneutralität bis 2030 erreicht wird, stellen Üstra und Regiobus den kompletten Fuhrpark auf elektro- und wasserstoffbetriebene Antriebe um.
Beim Thema Autoverkehr kochten die Emotionen der Besucher langsam hoch. Das Konzept sieht vor, auf den streckenweisen achtspurigen Ausbau der A 2 und der A 7 zu verzichten und den Hauptstraßenverkehr innerorts in der Region auf Tempo 30 zu reduzieren. Fahrspuren sollen für der Fahrradverkehr umgewidmet werden, öffentlicher Parkraum bewirtschaftet und verknappt werden, Parkplätze durch Parkhäuser ersetzt werden. Das Radwegeverkehrsnetz wird mit Radschnellwegen und Velorouten ausgebaut, und es werden 10.000 Fahrradabstellplätze geschaffen.
Doch da beginnt das Nachdenken bei den Zuhörern. Wo sollen Parkhäuser gebaut werden, wenn es schon jetzt keine Flächen gibt, um den Wohnraummangel zu beseitigen? Die Zulassungszahlen von Autos werden steigen und damit auch der Bestand und das Verkehrsaufkommen. Verkehrsminister Wissing prognostiziert bei einer wachsenden Bevölkerung 54 % mehr LKW-Verkehr. Und dann erwartet die Region einen Rückgang des Autoverkehrs um 30 %? Umfragen haben ergeben, dass weniger als 10 % der über 65-jährigen den ÖPNV benutzen, aber die Region hat verordnet, dass ÖPNV-Nutzung und Radverkehr um jeweils 20 % zunehmen werden. Schön – will das die Bevölkerung auch und macht sie es? Die Realität wird weitgehend ausgeblendet.
Schon jetzt können die Tunnelstrecken eine dichtere Taktung von Stadtbahnzügen nicht aufnehmen. Wer an den Rändern der Region wohnt, muss ohnehin mit dem Auto oder dem Fahrrad bei Wind und Wetter (!) zu einem Stadtbahn- oder Bus – Endhaltepunkt fahren und dann auf Bus oder Bahn warten.
Sollte jemand an dem Verkehrskonzept der Region noch nicht zweifelt, dem empfiehlt der Autor, sich einen Beitrag in der ZDF-Satiresendung „heute Show“ vom März 2021 oder in der NDR-Sendung „45 min.“ einen sachlichen Bericht anzuschauen. Dort wurde die Realität des ÖPNV in der Region Hannover dargestellt. Bisher gibt es ca. 350.000 Klicks beim ZDF.
Neben Tagträumern unter den Regionspolitikern gibt es auch Realisten, und die fragen nach den Kosten und deren Finanzierung. Das Radwegenetz umzusetzen kostet ca. 500 Mio., der Ausbau des ÖPNV ca. 500 Mio., Neumaßnahmen im Stadtbahnnetz ca. 750 Mio. und die Erweiterung und Neukauf des Fuhrparks der Stadtbahn ca. 450 Mio., zusammen 2,2 Mrd. Euro!
Schön – die Landeshauptstadt ist bereits mit 2 Mrd. Euro verschuldet, und die Region hat keine eigenen Steuereinnahmen und lebt ausschließlich von der Regionsumlage, den Zuweisungen aus den 21 Regionskommunen. Also ist die Region auf hohe Bundes- und Landeszuschüsse angewiesen, und auf die Bürger, die sich mit einem teuren Mobilitätspass den Fortschritt erkaufen müssen.
Unser Referent, Robert Reinhard-Klein, hat den „Verkehrsentwicklungsplan 2035+“ sehr sachlich und professionell vorgestellt und hat bei der lebhaften Diskussion die Ruhe bewahrt; dafür gebührt ihm ein besonderer Dank. Die Besucher haben erkannt, dass dieses Konzept nur von der rot-grünen Mehrheitsfraktion in der Region in Auftrag gegeben sein konnte.
Zum Schluss haben einige Zuhörer kopfschüttelnd den Raum verlassen. Viele bleiben lieber Autofahrer. Der Autor auch. „Gut, dass ich schon alt bin“, murmelte er.
Manfred Kobusch